Weißer Sonntag am 25. April 1965 - Jürgen Müller
Vor 50 Jahren, am 25. April 1965 war noch vieles anders in der Welt und auch in der Kirche. Dennoch bleibt der Anlass der gleiche. Das kleine Stück Brot, in dem sich Jesus Christus selber verbirgt. Gott ist und bleibt die Konstante in allem weltlichen und kirchlichen Wandel.
Kurz nach den Schulsommerferien des Jahres 1964 wurden wir Kinder von unseren Eltern zur Erstkommunion angemeldet. Bald danach begann für uns auch der wöchentliche Kommunionunterricht. Wir wurden in Gruppen von ca. 30 Kindern von Pfarrer Wilhelm Becker und Kaplan Heinrich Scholl auf die Kommunion vorbereitet. Der Kommunionunterricht fand nachmittags in einem Klassenraum der kath. Grundschule St. Martin – damals noch Volksschule genannt - statt.
Das „Kommunionglöcklein“ – Lehrbriefe zur Vorbereitung auf die Erstkommunion – wurden mit uns von den uns unterrichtenden Geistlichen durchgesprochen und anschließend ausgehändigt. Zuhause wurden diese Lehrbriefe zusammen mit den Eltern nachgearbeitet und dann in einer schön gestalteten Schnellhefter-Mappe abgeheftet. Der Unterricht war für die Unterrichtenden nicht immer einfach, da lebhafte Kinder in so großen Gruppen nicht immer dem Unterricht aufmerksam folgten, und auch für eine gewisse Unruhe sorgten.
Aber Pfarrer Becker schaffte es immer wieder unsere Aufmerksamkeit zurück zu erlangen, indem er zwischendurch kurze Anekdoten aus dem Krieg erzählte, und unseren Fokus auf sein Holzbein lenkte, welches ihm dieser schreckliche Krieg als Feldseelsorger eingebracht hatte. Aber nach dem Unterricht war er oft geschafft und wir Kinder schoben ihn dann auf seinem Fahrrad sitzend ins Pfarrhaus am Zehntenweg. Seine Haushälterin,Frau Woiwode, erwartete ihn dann schon an der Haustüre und bedachte uns Kinder dann des Öfteren mit leckeren, kleinen roten Äpfeln aus dem Pfarrgarten.
Nach den langen Monaten der Vorbereitung kam dann der Tag der Ersten Hl. Kommunion näher und wir Kinder wurden auch aufgeregter. Manchmal hatten wie auch etwas Angst, da zu dieser Zeit auch noch eine gewisse Art der „Drohbotschaft“ verkündet wurde, anders als heute, wo die Frohbotschaft“ auch in der Verkündigung der Kirche selbstverständlich ist. Auch der Gang zu Beichte stellte uns vor so manche Probleme, da wir Kinder nicht wussten was wir dem Priester im Beichtstuhl für Sünden beichten sollten. Einige der 10 Gebote waren für uns Kinder auf Grund unseres Alters eh nicht relevant, und so mussten wir uns die ein oder andere Sünde zu den für uns „verbleibenden“ Geboten ausdenken. Das war damals gar nicht so einfach.
Dann, zwei Wochen vor dem großen Tag, standen die Proben in der alten Pfarrkirche St. Martin an. Wir mussten getrennt nach Geschlecht auf beiden Seiten des Kirchenschiffes in den vorderen Bänken Platz nehmen – die Mädchen auf der linken Seite, die Jungen auf der rechten Seite. Wir Kommunionkinder wurden bankweise von „Führengelchen“ – das waren Kommunionmädchen des Vorjahres in ihren weißen Kleidern - zur Kommunionbank geführt. Wichtig war auch die Orientierung am Fußbodenornament des Kirchenbodens. Es wurde so oft geprobt, bis alles perfekt eingeübt war.
Anders als heute war das streng einzuhaltende eucharistische Nüchternheitsgebot vor dem Kommunionempfang. Wir Kinder hatten Sorge, beim Zähneputzen Wasser zu schlucken. Heute schmunzeln wir über "eine damals ernste Frage". Aber damals bekamen wir am Vorabend der Erstkommunion das letzte Essen und Trinken.
Unvergessen sind auch die äußeren Umstände. Das Wetter meinte es nicht zu gut mit uns. Es regnete und die Temperatur war auch nicht wirklich frühlingshaft. Schön war der kleine Festzug von der Wolfhagenerstraße, vor dem Krankenhaus beginnend, zur alten Kirche St. Martin. Der Haupteingang zur Kirche führte von der Wolfhagenerstraße durch den alten Turm ins Kirchenschiff.
Die Feier der Erstkommunion war dann der Höhepunkt für uns Kinder und wir waren alle ntsprechend aufgeregt. Die Festmesse wurde von Pfarrer Becker und Kaplan Scholl zelebriert. Diese Messfeier, die uns nachdrücklich im Gedächtnis geblieben ist, und wie erhebend es für uns Kinder war, bis zur Kommunionbank zum Empfang der Ersten Heiligen Kommunion gehen zu dürfen. Der Gottesdienst war feierlich gestaltet mit Kirchenchor, Weihrauch – einige von uns vertrugen ihn nicht so gut - und alle Kommunionkinder und Gottesdienstbesucher in Festkleidung. Die Gläubigen sahen während des größten Teils des Gottesdienstes den Priestern auf den Rücken, da der Altar am Ende der Kirche stand und noch von der Liturgieform vor dem zweiten Vatikanischen Konzil her rührte. Teilweise wurde auch Lateinisch gebetet.
Nach der Kommunionfeier gingen die Familien dann nach Hause um das Fest gebührend zu feiern. Weil die Erstkommunion zugleich ein Familienfest ist, kamen früher alle Angehörigen zu diesem Fest im Haus der Familie des Erstkommunionkindes zusammen. Manche von uns sahen einen Teil ihrer Verwandtschaft zum ersten Mal bewusst, da weite Reisen zu dieser Zeit nicht alltäglich waren. Und damit alle an der Festtafel Platz finden konnten, wurde das Wohnzimmer umgeräumt.
Großmütter und Tanten hatten für den Ehrentag des Kindes die Zubereitung des Festessens übernommen, nachdem die Mütter mit dem Hausputz zuvor arg beschäftigt waren.
Damit die Kommunionkleidung - die Mädchen trugen kurze weiße Kleider, die Jungen einen dunkelblauen Anzug mit langen Hosen – wenigstens bis zur Andacht am Sonntagnachmittag und zur Dankmesse am Montagmorgen nach dem Weißen Sonntag sauber blieb, mussten wir Kinder uns nach dem Messbesuch in achtnehmen, um sie nicht beim Herumtollen schmutzig zu machen. Den Mädchen fiel das leichter als uns Jungen.
Auch freuten wir uns über die Geschenke wie das Gebetbuch mit Goldschnitt, den Rosenkranz, die erste Armbanduhr, Geldgeschenke, Bücher, Blumen und Süßigkeiten. Montags nach dem Dankgottesdienst bekamen wir dann noch von der Gemeinde ein gerahmtes Foto von unserer Richrather Gottesmutter – die hier auf dem Podest steht - mit Widmung von Pfarrer Becker und Kaplan Scholl. Viele von uns werden es wahrscheinlich noch in ihrem Besitz haben.
Montagsabends waren wir froh all das Schöne erlebt zu haben, aber auch müde und geschafft.
Für die meisten der Jungen begann dann bald die Ausbildung zum Messdiener – Mädchen waren zu dieser Zeit als Messdiener leider noch nicht zugelassen. Heute ein unverständlicher und nicht akzeptierbarer Zustand. Gott sei Dank hat hier eine Änderung stattgefunden.
Nun sind 50 Jahre seit unserer Ersten Heiligen Kommunion vergangen.
Wir sind alle die unterschiedlichsten Lebenswege gegangen, die damals Niemand vorhersehen oder erahnen konnte. Einige von uns wohnen nicht mehr hier in Richrath, andere sind gar nicht mehr unter uns. Es ist ein steter Wandel von statten gegangen, und Niemand muss prophetische Fähigkeiten besitzen um vorherzusagen, dass der Wandel weitergehen wird.
Die Erstkommunion wird heute anders gefeiert als damals zu unserer Zeit, und wird auch bei zukünftigen Feiern anders ablaufen.
Dennoch bleibt der Anlass der gleiche. Das kleine Stück Brot, in dem sich Jesus Christus selber verbirgt. Gott ist und bleibt die Konstante in allem weltlichen und kirchlichen Wandel.